Montag, 3. Oktober 2011

Interview - Wilde Zeiten - September 2011



Hallo Jungs, schön, dass ihr euch Zeit genommen habt, einige Fragen für uns zu beantworten. Da wir gerne mit etwas Politik anfangen, starten wir auch hier mit einer aktuell-politischen Frage.

1. Wir schreiben 2011, Wahlen im Stadtstaat Berlin. Die Piraten legen mit 8,9 % eine absolute Wahlüberraschung hin. Wie ist eure Meinung dazu?

Alex: Ich schätze das vor allem als ein „Protestwählen“ ein und freue mich das die Stimmen nicht nach „rechts“ abgewandert sind.

Matze: Zu den Piraten habe ich noch eine etwas gespaltene Meinung. Ich finde es begrüßenswert, dass es endlich eine Partei gibt, die sich um die Belange des Datenschutzes und der Privatsphäre im Internet kümmert und die den freien Zugang zum Wissen fordert. Andererseits sind mir die Forderungen nach einer völligen Freigabe der nicht-kommerziellen Vervielfältigung über das ursprüngliche Recht der Privatkopie hinaus schon etwas zu viel des Guten. Sicher übertreibt es die Film- und Musikindustrie mit der Kriminalisierung von Nutzern illegaler Downloads, allerdings darf man nicht vergessen dass hinter den Inhalten jede Menge investierter Zeit, Arbeit und investiertem Geld steckt. Eine Band schüttet nicht eben mal so ohne finanziellen Aufwand aus dem Ärmel ein neues Album, ein Filmproduzent kann auch seine Projekte nicht aus spenden finanzieren, und ein Software-Programmierer lebt auch nicht nur von Luft und Liebe.

2. Ab geht’s in die musikalische Richtung. „Atomparty“ erscheint in wenigen Tagen, was erwartet ihr euch, vielleicht auch stellvertretend für den Rest der Band, von diesem Album?

Alex: Erwartungen stell ich eher nicht. Ich würde mich freuen, wenn es den Leuten genauso gut gefällt wie mir. Das Album hält meiner Ansicht nach, eine gute Balance zwischen Kompaktheit und Breite, da es viele Themen anspricht, die jedoch immer wieder einen gemeinsamen Nenner in sich bergen.

Matze: Nun ja, das Album ist gerade im Presswerk und wir können nichts mehr dran ändern. Deshalb kann ich vom Album auch nichts mehr erwarten. Wir haben sehr viel Mühe und Zeit in die „Atomparty“ investiert, und sind damit zufriedener denn je. Ich hoffe dass es allen Leuten draußen genauso gefällt wie uns, und dass sie jede Menge Spaß mit der Platte haben. Und ich freue mich besonders die neuen Songs live zu präsentieren.

3. Wie lange habt ihr insgesamt an der Scheibe gearbeitet?

Matze: Es ging eigentlich schon 2009 los. Wir haben uns immer wieder mal weggesperrt, an neuen Songs gefeilt und Demos aufgenommen. Im Dezember 2010 ging es dann aber richtig los, denn da haben wir mit den eigentlichen Aufnahmen losgelegt und etwa 22 Stücke aufgenommen. Davon sind 15 auf dem Album, und die anderen werden sich demnächst auf unseren Download-Singles wiederfinden oder auf Samplern. Da sind auch noch echte Perlen dabei, die aber halt thematisch irgendwie nicht auf die „Atomparty“ passten.

4. Nun ist es ja so, dass Michel bei euch die überwiegende Anzahl der Songs schreibt. Wie geht das vor sich, wann fällt ihm ein Text/Thema ein und wie schnell setzt ihr das zu einem Song um?

Matze: Das ist wohl sehr unterschiedlich. Das geht von fertigen Ideen die wir dann zusammen umsetzen bis hin zu Fragmenten die wir ausprobieren und Michel dann in Ruhe ausfeilt und uns dann wieder präsentiert. Oder es entsteht was aus dem Jammen heraus. Da gibt es eigentlich keine Regeln. Oder man klimpert was beim Einstellen des Verstärkers rum, Michel schreit plötzlich: „Spiel das noch mal!“ und plötzlich hat man einen neuen Song… Zu sagen gibt es genug, und da uns allen die Art und Weise wie Michels Texte sind gefällt, überlassen wir das Texten bis auf ganz wenige Ausnahmen ihm.

5. März/April 2011, in Japan explodieren mehrere Reaktoren in einem AKW. War für euch sofort klar, das hier ein Thema entstanden ist, welches ihr in euren Songs bzw. mit dem Albumtitel dringen ansprechen müsst?

Alex: Der Entstehung des Albums geht die Katastrophe von Japan nicht voraus, dennoch zeigt sie, wie nah dran das Album am „Jetzt“ ist.

Matze: Eigentlich nicht. Wenn ich mich richtig entsinne hatten wir schon anno 2004 die Idee ein Album so zu nennen. Wir haben schon oft von „Kernspaltung“ und „Atomparty“ im Zusammenhang mit dem ultimativen Feiern gesprochen. Durch die Katastrophe in Japan hat aber das Wort „Atomparty“ für uns eine neue Dimension erreicht und steht für uns nun auch für den Tanz auf dem Vulkan den die Menschheit vollführt.

6. Nun gibt es ja die Releaseparty zur neuen Scheibe auf einem Schiff. Eine sehr geile Idee, wie ich finde. Wie kommt man als Band darauf, ein Schiff für ein Konzert zu mieten?

Matze: Auch diese Idee hatten wir schon sehr sehr lange. Früher hatten wir einmal im Jahr eine Bandbesprechung auf einem Schiff gemacht in der wir die letzte Zeit resümiert haben und Pläne geschmiedet haben wo wir in nächster Zeit stehen wollen. Aus irgendwelchen Gründen haben wir es aber erst jetzt geschafft die Idee die Releaseparty auf einem Schiff zu machen umzusetzen.

7. Matze, du bist ja auch neben den Wilden Zeiten musikalisch aktiv. Kellergeister heißt dein zweites Musikprojekt, bei dem auch Michel mitwirkt. Eine Band mit vielen bekannten Stimmen aus dem Deutschpunk. Erzähl uns doch ein bisschen über diese Band! Wann kommt das neue Album und auf welche Gastsänger können wir uns freuen?

Matze: Das mit den Kellergeistern ist sehr lustig, da die Kellergeister wahrscheinlich die erste Deutschpunkband waren die ich gut gefunden habe damals, irgendwann Mitte der 90er. Damals waren die Kellergeister das am besten gehütete Geheimnis der Szene, keiner wusste so recht wer da wirklich mitspielt. Als Mogan vor ein bis zwei Jahren beschlossen hatte einen neuen Song aufzunehmen war es für Michel und mich eine Ehre da mitzumachen. Aus dem Song wurde dann eine MP3-Stick-Single, und nun ein Album. Das Album wird „Wir in diesen Tagen“ heißen und im Spätherbst oder Winter erscheinen. Über alles weitere lasst Euch einfach überraschen!

8. Nun seid ihr ja durch die vielen Jahre mit Wilde Zeiten(über 7 Jahre, soweit ich weiß) schon viel rumgekommen. Wo ist es am schönsten und gab es ein lustiges Ereignis von dem ihr uns hier kurz berichten möchtet?

Matze: Es gibt dauernd lustiges, da fällt es sehr schwer was rauszupicken. Auch wir hatten schon Bandmitglieder auf einer Raststätte schon mal vergessen und es erst 100 km weiter gemerkt, seit dem zählen wir immer wie auf Klassenfahrten durch. Schön war es einmal als wir von einem ausgefallenem Festival zurück unterwegs waren (man hatte uns nicht über das Unwetter und den Ausfall informiert…), nicht wussten wie wir nun den Bus und den Sprit bezahlen sollen, und wie sich alles zum Guten gedreht hat. Von Unterwegs aus hat unserer Fahrer Möm gegen 18 Uhr ein Konzert im hessischen Dietzhölztal organisiert. Als wir dort gegen 22 Uhr ankamen wurden wir von unzähligen Fans begeistert empfangen. Der Laden war propevoll und die Party genial. Alles wohl ohne Werbung, ohne Internet, nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Fantastisch!

9. Welche Bands haben euch denn über die Jahre hinweg am meisten inspiriert und beeinflusst?

Matze: Das waren sehr viele. Angefangen bei den Hosen, über The Clash, Ramones bis hin zu Green Day. In wie weit man das raushört, kann ich aber nicht so beurteilen.

10. Was war das allererste und was das letzte Punkrock-Album, das ihr euch gekauft habt?

Alex: Ich glaub „Planet Punk“ von den Ärzten (sofern das als Punkrock durchgeht) und das letzte, spezifisch Punkrock- Album, „The Dissent of Man“ von Bad Religion

Matze: Das allererste muss wohl „Spaghetti Incident“ von Guns’N Roses gewesen sein: lauter Coverversionen von Punkrockbands der ersten Stunde. Das letzte war wohl „Inri 21“ von Normahl, weil ich gemerkt habe dass sie mir abhanden gekommen ist.

11. Ihr spielt ja in diesem Jahr wieder auf dem Punk im Pott Festival. Gibt es eine Band, bei der ihr euch besonders freut, mit ihr die Bühne teilen zu dürfen?

Alex: Oh da gibt es viele. „Sondaschule“ und „Dritte Wahl“ natürlich, die hör ich auch gerne privat. Aber natürlich auch auf alle Bands die wir näher kennen wie z.B. „Schmeisig“ oder die „Stattmatrazen“. Eigentlich auf alle!

Matze: Ich freue mich sehr auf Normahl, weil ich die irgendwie auch noch nie live gesehen habe, und weil ich Lars für einen der besten Texter in diesem Lande halte. Ansonsten freut es mich auch wieder die Jungs von Schmeisig zu sehen, sowie Alarmsignal, Atemnot, ach, da gibt es so viele!

12. Gleich habt ihr es überstanden! Wie sieht die Zukunft der Band aus, gibt es schon irgendwelche Pläne? Was kommt nach Atomparty?

Alex: Wir wollen vor allem wieder raus und vermehrt live spielen. Für 2011 stehen ja noch einige Termine auf dem Plan und 2012 soll das konsequent fortgesetzt werden.

Matze: Erstmal wollen wir natürlich das neue Album live präsentieren und rocken. Dann kommt ja noch die ein oder andere Download-Single zur Atomparty, aber viel weiter denke ich momentan nicht. Wahrscheinlich kommen dann neue Songideen, irgendwann ein neues Album, und alles fängt wieder von vorne an, der übliche wohl Gott-gewollte Rhythmus einer Band. Und das lieben wir!

13. Ich danke euch für das Interview und überlasse euch die letzten Worte...

Alex: Ich bedanke mich ebenfalls und ich hoffe wir sehen uns auf den nächsten Konzerten.

Matze: Ich habe in unzähligen Selbstversuchen herausgefunden, dass die „Atomparty“ am meisten Spaß macht, wenn man die Anlage laut aufdreht. Das ganze kann man noch mit der richtigen Gesellschaft von einigen Freunden und mit alkoholhaltigen Getränken würzen. Aber auch nüchtern geht’s eigentlich, Hauptsache laut. Lasst uns lauter als die andern durch dieses Leben wandern!





Thommy
P.v.G. - Concerts
September 2011

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen